Piratenpartei erfolgreich bei Koalitionsverhandlungen

Inspiriert durch eine neuerliche Diskussion mit meinem Lieblings-FDP-Sympathisant fasse ich mal meine Gedanken zum Ergebnis der Koalitionsverhandlungen im Bereich Innenpolitik in aller Kürze zusammen.

1. Internetsperren

Sind wohl erstmal auf Eis gelegt und allem Anschein nach möchte man nun erst einmal das tun was Piraten und viele andere von Anfang an gefordert haben, nämlich löschen statt sperren. So weit so gut. Insbesondere sollen wohl auch die BKA-Verträge mit den Providern nicht umgesetzt werden und nach einem Jahr schaut man sich das Ganze nochmal an und bewertet neu. Dem stehe ich in Anbetracht der Masse an aus der Luft gegriffen, völlig falschen, Zahlen und Fakten im Verlauf der Diskussion eher skeptisch gegenüber. Klares Problem ist dass die Infrastruktur weiterhin besteht und man sich den ursprünglichen Weg komplett offen hält.

2. Vorratsdatenspeicherung

Einschränkung auf schwere Gefahrensituationen. Dazu kann ich nur sagen: Besser als nichts, das eigentliche Ziel aber leider verfehlt. Die VDS gehört ohne wenn und aber abgeschafft. Punkt! Alles andere öffnet dummen Ideen in der Zukunft Tür und Tor. Ich bin überzeugt dass das nicht gut gehen kann und wird, dafür ist in den verschiedenen Köpfen der (alten und neuen) Regierung eine viel zu paranoide und kaputte Denke.

3. Online-Sperren

Hat zusätzliche Hürden bekommen und darf nicht mehr von Hinz und Kunz in Wiesbaden angeordnet werden. Einmal mehr: Immerhin, aber das Gelbe vom Ei ist es definitv nicht, obwohl mir das aktuell noch die kleinsten der großen Schmerzen bereitet.

Fazit

Zusammenfassend muss ich zugeben dass die FDP mehr erreicht hat als ich befürchtet hatte. Leider ist es aber auch weniger als ich gehofft hatte und vor allem aus den vollmundigen Wahlversprechen nach dem Motte „VDS abschaffen“ ist ja wohl nichts geworden. Allerdings stünden wir ohne dieses öffentliche „Klappe aufreißen“ insbesondere von Herrn Westerwelle vermutlich deutlich schlechter da, dann dann wären die Verhandlungen anders gelaufen. Das wiederum ist in meine Augen ein deutlicher Erfolg der Piraten. Denn ohne die öffentliche Diskussion, die Aktionen und die Medienaufmerksamkeit der Piraten wäre die FDP meiner Meinung nach lange nicht so weit in die bürgerrechtliche Ecke gewandert und hätte dies vor allem nicht in diesem Umfang propagiert. Stellenweise konnte man sich des Eindrucks nicht erwehren dass in Teilen des liberalen Lagers der „Arsch auf Grundeis“ geht was einen möglichen Stimmenverlust (aus dem eigenen Bürgerrechts-Flügel) in Richtung Piraten angeht (wobei das sicher auch auf andere Parteien zutrifft).

Es zeigt sich also dass die Piraten nicht nur notwendig sind sondern auch bereits beeindruckend Einfluss genommen haben. Deutschland braucht ein Korrektiv, und dieses heißt ganz eindeutig: PIRATENPARTEI

Sind die Piraten erst in 20 Jahren wählbar?

Vor kurzem twitterte ich etwas zu den Plänen des hessischen FDP hinsichtlich automatisiertem Kennzeichenabgleich (wir erinnern uns, der erste Versuch dieser Art wurde vom Bundesverfassungsgericht kassiert). Ich gebe ja gerne zu dass mein Text etwas provokant gewählt war und der verlinkte Artikel nicht eben das Optimum darstellt. Trotzdem, oder gerade deshalb, erhielt ich von einem Freund (sein Blog) interessante Kritik, die ich euch nicht vorenthalten und gerne diskutieren möchte. Ich zitiere die meiner Meinung nach wichtigsten Stellen aus seiner eMail.

“Die von den Schwarz-Gelben in Hessen einzuführende neue KfZ-Massenabgleichung ist momentan NICHT verfassungswidrig. Sie nehmen ja gerade NICHT das alte Gesetz, über das schon entschieden wurde, sondern eins, das zum Großteil auf dem Gesetz aus BW besteht. Das ist gerade (noch) NICHT verfassungswidrig. Vergleichbar wäre das mit dem Fall Tauss. Tauss ist momentan gerade NICHT ein Mann, der Kinderpornos zu seinem Vergnügen anschaut, besitzt und verbreitet, denn er ist NICHT deshalb verurteilt worden. Die Piratenpartei ist nicht das Verfassungsgericht und sollte sich deshalb nicht herausnehmen schon vorab ein Gesetz als verfassungswidrig abzustempeln (ein “möglicherweise” vor dem verfassungswidrig hätte das Ganze schon abgeschwächt).”

Selbstverständlich muss ich dir Recht geben, ein “möglicherweise/eventuell/vermutlich” wäre an dieser Stelle die deutlich bessere Wortwahl gewesen. Ich denke aber nicht dass es hier jemandem darum geht Kompetenzen des Bundesverfassungsgerichts wahrzunehmen, sondern viel mehr die Verärgerung über eine Landesregierung, die ein bereits als nicht verfassungsgemäß abgelehntes Vorhaben in veränderter Form durchboxen will, zum Ausdruck kommt. Du schreibst ja selbst, dass das Gesetz aus BW “gerade (noch) NICHT verfassungswidrig” sei, weil darüber eben noch nicht entschieden wurde. Genau da liegt doch der Hund begraben. Man möchte hier etwas im zweiten Anlauf durchziehen, wofür es schon beim ersten Mal auf die Finger gab, anstatt zumindest die Entscheidung über das BW-Gesetz abzuwarten.

“Richtig ist, dass die FDP in Hessen ….. viele missliche Gesetzesänderungen mitträgt. Verschwiegen hat die Piratenpartei weitere Punkte, die die Bürgerrechte wahrscheinlich beschnitten hätten und die FDP in den Verhandlungen verhindern konnte (Man vergleiche die Pläne der CDU vor der Wahl in ihrem Wahlprogramm mit dem, was sie tatsächlich nun umsetzen).”

Ich will der FDP in keinster Weise Verhandlungserfolge (auch solche im Sinne der Piraten) mit der CDU absprechen. Ein Gesetz dass meiner Meinung nach (wurde ja noch nicht entschieden *g*) verfassungswidrig ist kann aber in keinem Fall mit der Verhinderung weiterer Verfassungsbrüche bzw. Bürgerrechtseinschränkungen legitimiert werden. Ich weiß jetzt kommt gleich der Einwand mit den Kompromissen in der Politik, schon klar. Und ja, die FDP hat in Hessen durchaus schon Schlimmeres verhindert, das stelle ich nicht in Frage. Dieser Umstand wird mich aber nicht dazu bringen solche Gesetze wie den Kfz-Massenabgleich hinzunehmen oder gar gut zu heißen.

“Ihr präsentiert wieder keine Alternativen. Ich finde es gut und richtig, wenn jemand gegen etwas protestiert, was seine Rechte beschneidet, aber dann bitte argumentativ. Einfach zu sagen, dass dies und das ineffektiv ist, reicht nicht! Ihr kennt die Argumente der anderen Parteien. Nehmt sie und setzt Argumente dagegen, warum die Ziele so nicht erreicht werden können und macht Alternativ-Vorschläge. Wenn keine Alternativen nötig sind, weil das Ziel ohnehin blödsinnig ist, dann begründet das.”

Prinzipiell gebe ich dir voll und ganz Recht. Meckern alleine bringt nichts, man muss auch was beizutragen haben und eine Alternative anbieten sofern es notwendig ist. Allerdings gibt es ja eine Geschichte zur Geschichte, nämlich den ersten Versuch des Gesetzes. Die Kritik am Kfz-Massenabgleich ist doch im Grunde unverändert. Zum Beispiel die Verdachtslosigkeit und die (mögliche) Speicherung der Daten haben trotz netter Einschränkungsversuche im neuen Text nach wie vor Bestand. Vor diesem Hintergrund muss man sicher nicht nochmal alles durchkauen, was bereits letztes Jahr einen bitteren Geschmack hatte nur weil sich die Verpackung geändert hat. In diesem Fall gibt es aus meiner Sicht für die Landesregierung nur die Alternative dieses Vorhaben fallen zu lassen.

“Was sagt die Piratenpartei denn zu Rente, Gesundheit, Finanzen, Haushalt, Steuern, Umwelt, Bundeswehreinsätze, Gentechnik (spätestens in diesem Punkt spaltet sich übrigens deine Partei), Innere Sicherheit, Arbeit, ALG II, … Ich stimme mit dir überein, dass wir wahrscheinlich stark übereinstimmend die Ziele der Piratenpartei vertreten – auch ich bin für ein neues Urheberrecht, basierend auf Creative Commons, weniger repressiver Kontrolle im Internet, Konvergenz der Medien, etc. aber das ist zu wenig… Das ist nur ein kleiner Teil dessen, was momentan wichtig ist und akut gelöst werden muss.”

Zu diesen Punkten sagen wir nichts, schlicht weil wir die nötigen Ressourcen bzw. Kompetenzen (noch) nicht haben. Wir sind eine sehr junge Partei die sich momentan einem, nämlich dem unserer Meinung nach wichtigsten, Themenkomplex widmet. Wir können aktuell einfach nicht das Spektrum einer etablierten (Regierungs-)Partei abdecken aber sicher wird sich der Themenkreis mit der Zeit zwangsläufig erweitern. Du schreibst am Anfang deiner Mail “Die Piratenpartei macht mit dem von dir getwitterten Beitrag einen Fehler, die viele andere auch machen. Das bereitet mir Sorgen, denn dann sehe ich eine (in 20 Jahren vielleicht sogar wählbare) Alternative schwinden.” Den Beitrag haben wir behandelt, den Teil in Klammern finde ich allerdings viel wichtiger. Die grundlegende Voraussetzung für eine lebendige Demokratie ist die Freiheit. Unantastbare Grundrechte sichern uns diese Freiheit zu. Meinungsfreiheit, Privatsphäre und zensurfreie Informationensmöglichkeiten sind nur einige der Punkte die eine Demokratie zum Leben benötigt wie wir die Luft zum Atmen. Werden diese Grundrechte beschnitten, werden Bürgerrechte eingeschränkt, schafft man Möglichkeiten diese Luftzufuhr zu regulieren, dann ist die Demokratie selbst in Gefahr. Wie soll ich mich auf demokratische Strukturen und Entscheidungen verlassen, wie den Regierenden, meinen Vertretern, vertrauen können, wenn ich aufgrund von Einschränkungen der grundlegenden Freiheit der Demokratie selbst nicht mehr vertrauen kann? Wenn wir den aktuell eingeschlagenen Weg noch 10 oder gar 20 Jahre weitergehen, könnte es zu spät sein. Was habe ich dann von einem Parteiprogramm das zwar vollständig aber das Papier auf dem es geschrieben steht nicht mehr wert ist weil ich mittlerweile in meinem Handeln und meiner Meinung (bewusst oder unbewusst) eingeschränkt bin? Wir müssen JETZT handeln, wir müssen JETZT den Überwachungsstaat verhindern, wir müssen JETZT die Piraten wählen um uns auch in Zukunft auf unsere Demokratie verlassen und frei leben zu können. Ich nehme doch stark an dass alle von dir genannten Themen ganz demokratisch behandelt werden sollen? Und genau dafür brauchen wir diese Basis der Freiheit und lebendigen Demokratie.

“Ihr wollt bei den Großen mitspielen, dann benehmt euch auch so (auch wenn sie sich gerade immer mehr dem Kindergarten annähern – siehe Schleswig Holstein). Es gibt kein reines schwarz und weiß. Der Mann im Rollstuhl, der in der Regierung auch für Sport zuständig ist, steht nicht morgens auf und überlegt sich: Wie mache ich es den Menschen schwerer. Auch er hat gute Ziele im Auge und ist eigentlich ganz nett (wobei ich ersteres oft bezweifle). Zudem – und das dürft ihr nie vergessen – gibt es sehr sehr viele Wähler, die genau wegen den Maßnahmen, die in Hessen jetzt getroffen werden, die CDU gewählt haben. Sie wollen mehr Möglichkeiten für die Strafverfolgungsbehörden.”

Natürlich gibt es kein reines schwarz und weiß, das haben wir nicht behauptet. Das Problem mit dem Mann im Rollstuhl (und diversen anderen) ist in der Regel schlicht Inkompetenz und eine etwas verdrehte Auffassung der Realität. Jörg Tauss zu diesem Thema schrieb sinngemäß dass ein Abgeordneter oder Minister sich mit Sicherheit z.b. über das Thema Milchquote informiert bzw. informieren lässt wenn er auf einen Bauernhof fährt um mit den Leuten dort zu sprechen, er sich aber unter dem Begriff Internet weniger vorstellen kann als unter einer Kuh. Ich denke das trifft es schon ziemlich gut. Wir haben es mit einer Mischung aus Unwissen, Inkompetenz, Faulheit und nochmal Unwissen zu tun, gepaart mit Unverständnis, der Weigerung sich wirklich mit neuen Dingen zu beschäftigen und dem Glauben an irgendwelchen Unfug den ein angeblicher Experte oder Assistent mal aufgeschrieben oder gesagt hat. Den Wählern wird das dann entsprechend verkauft. Deswegen müssen wir den notwendigen Druck erzeugen der die entsprechenden Personen zwingt diesen Zustand zu ändern oder es kompetenteren Leuten zu überlassen. Die Wähler müssen wir informieren was da wirklich passiert, um welche Zusammenhänge es wirklich geht und welche Gefahren lauern. Selbstverständlich unterstützen wir auch die Forderungen der Polizei nach besserer Ausstattung, Ausbildung und mehr Personal, genau wie sehr viele Wähler, aber auch nur dann wenn diese Mittel im Rahmen des Grundgesetztes eingesetzt werden und nicht alle Nase lang irgendjemand auf die Idee kommt Polizeibefugnisse verfassungswidrig zu erweitern. Die Wähler handeln mit Sicherheit nach bestem Wissen und Gewissen, leider fehlen ihnen oft genug wichtige Informationen um z.B. ein Gesetz umfassend zu beurteilen weil Hintergründe vorenthalten, verschleiert oder nicht richtig dargestellt werden. Statt z.B. mit manipulativen Fragestellungen einer Umfrage zu versuchen eine “Volksmeinung” darzustellen muss hier für mehr Transparenz gesorgt werden.

“Falls ich mit diesen Anregungen deiner Partei hoffentlich ein wenig geholfen hab, ist mein Tag gerettet und ich bin vollkommen zufrieden. Sag bescheid, wenn ihr Hilfe braucht, dann gucke ich mal, ob ich da helfen kann… (ich klebe keine Plakate ;))”

Für solide Kritik dieser Art sind wir immer offen und dankbar, auf dein Angebot kommen wir gerne zurück. Schau doch einfach mal bei einem unserer Stammtische vorbei, wir freuen uns immer über spannende Diskussionen. 😉